
Gelassenheit lernen
Gelassenheit lernen: 7 Tipps für weniger Stress und mehr Erfolg im Job
Von Max Planer, ehemaliger Ruderweltmeister und High Performance Coach
Im Hochleistungssport wie im Berufsleben gilt: Wer in stressigen Situationen die Ruhe bewahrt, hat bereits gewonnen. Als ehemaliger Ruderweltmeister habe ich erfahren, wie entscheidend innere Ruhe für Spitzenleistungen ist. Heute gebe ich diese Erkenntnis als Mental Coach an Führungskräfte und Teams weiter. Eines kann ich dir versichern: Gelassenheit lässt sich lernen – und sie ist der Schlüssel zu weniger Stress und mehr Erfolg im Job.
Was bedeutet Gelassenheit und warum ist sie wichtig?
Die Definition von Gelassenheit und innerer Ruhe
Gelassenheit bedeutet, auch unter Druck einen kühlen Kopf zu bewahren und souverän mit Herausforderungen umzugehen. Sie ist eine innere Haltung der Ruhe und Ausgeglichenheit, die uns befähigt, auch in schwierigen Situationen besonnen zu reagieren. In verschiedenen Traditionen finden wir ähnliche Konzepte: "Ataraxia" bei den Stoikern, "Gleichmut" im Buddhismus oder die moderne "Coolness" – alle beschreiben einen Zustand seelischer Stabilität und innerer Ruhe.
Gelassenheit ist keine passive Gleichgültigkeit oder Resignation. Im Gegenteil: Sie ist eine aktive, bewusste Haltung, die uns ermöglicht, klar zu denken und effektiv zu handeln, wenn andere von Emotionen überwältigt werden. Gelassene Menschen verfügen über eine besondere Form der Selbstbeherrschung und mentalen Stärke.
Wie Gelassenheit zu weniger Stress und mehr Ausgeglichenheit führt
In unserer schnelllebigen Arbeitswelt ist Stress allgegenwärtig: Termindruck, ständige Erreichbarkeit, komplexe Anforderungen und unerwartete Krisen fordern uns täglich heraus. Die gute Nachricht: Wer Gelassenheit entwickelt, kann mit diesen Belastungen besser umgehen.
Gelassenheit hilft uns:
Stresshormone zu reduzieren
Klarer zu denken und bessere Entscheidungen zu treffen
Energie zu sparen, die sonst in Aufregung und Ärger fließt
Körperlich und mental gesünder zu bleiben
Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten zu verbessern
Langfristig leistungsfähiger zu sein
Als ich als Athlet unter extremem Leistungsdruck stand, war es letztlich die Gelassenheit, die mir half, mein volles Potential abzurufen. Dieselbe Erfahrung machen meine Coaching-Klienten im Berufsleben: Wer gelassen bleibt, erreicht mehr.

Der Unterschied zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit
Ein häufiges Missverständnis: Gelassenheit wird mit Gleichgültigkeit oder mangelndem Engagement verwechselt. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Während Gleichgültigkeit aus Desinteresse oder Resignation entsteht, ist echte Gelassenheit eine bewusste Wahl.
So unterscheidet sich Gelassenheit von Gleichgültigkeit:
Gelassenheit ist präsent und aufmerksam, Gleichgültigkeit ist abwesend und uninteressiert
Gelassenheit ermöglicht klare Entscheidungen, Gleichgültigkeit verhindert Entscheidungsfindung
Gelassenheit steigert Leistungsfähigkeit, Gleichgültigkeit mindert sie
Gelassenheit entsteht aus innerer Stärke, Gleichgültigkeit oft aus Überforderung
Eine meiner Klientinnen, Führungskraft in einem internationalen Unternehmen, formulierte es treffend: "Früher dachte ich, gelassen sein bedeutet, nichts zu fühlen. Heute weiß ich, dass es bedeutet, alles zu fühlen, aber nicht davon kontrolliert zu werden."
Wie kann ich in stressigen Situationen gelassen bleiben?
Atemtechniken zur schnellen Beruhigung
Die Atmung ist unser direktester Zugang zum autonomen Nervensystem. Mit der richtigen Atemtechnik können wir innerhalb von Sekunden unseren Stresspegel senken und Gelassenheit aktivieren.
Drei bewährte Atemtechniken für stressige Berufssituationen:
Die 4-7-8-Methode: Atme 4 Sekunden ein, halte den Atem für 7 Sekunden und atme 8 Sekunden lang aus. Diese Technik aktiviert den Parasympathikus, unseren "Entspannungsnerv", und kann vor wichtigen Meetings oder Präsentationen Wunder wirken.
Box-Breathing: Stelle dir ein Quadrat vor. Atme entlang jeder Seite für je 4 Sekunden ein, halte, aus und halte wieder. Diese Technik nutzen Eliteeinheiten des Militärs in Hochstressphasen.
Die 5-5-5-Methode: Fünf Minuten, fünfmal täglich, fünf tiefe Atemzüge. Diese Mini-Intervention passt in jeden Arbeitsalltag und schafft regelmäßige Inseln der Ruhe.
Vor wichtigen Entscheidungsrennen nutzte ich stets eine spezielle Atemroutine: Erst einmal tief durchatmen und den Ärger oder die Anspannung bewusst "ausatmen". Diese einfache Technik hat mir oft geholfen, in kritischen Momenten fokussiert zu bleiben.
Mentale Strategien für schwierige Momente
Neben der Atmung können uns mentale Strategien helfen, in herausfordernden Situationen gelassen zu bleiben:
Der mentale Pause-Knopf: Stelle dir vor, du drückst einen Pause-Knopf. Diese kurze Unterbrechung schafft Raum zwischen Reiz und Reaktion.
Die 90-Sekunden-Regel: Neurobiologisch betrachtet dauert eine Emotionswelle etwa 90 Sekunden. Wenn du es schaffst, diese Zeit ohne Reaktion zu überstehen, gewinnst du die Kontrolle zurück.
Perspektivwechsel: Frage dich: "Wie wichtig wird diese Situation in einem Jahr sein?" Diese Frage relativiert sofort den aktuellen Stress.
Die "Mach das Beste draus"-Strategie: Suche in jeder schwierigen Situation nach der Lernchance oder dem versteckten Vorteil.
In meinem Coaching mit Führungskräften arbeite ich oft mit der "Exit-Strategie" für schwierige Meetings oder Konflikte: Definiere vorab, wie du reagieren wirst, wenn die Situation eskaliert. Diese mentale Vorbereitung gibt Sicherheit und bewahrt die Gelassenheit.
Die Rolle der inneren Haltung bei der Stressbewältigung
Unsere grundlegende Einstellung zum Leben und zu Herausforderungen prägt maßgeblich, wie wir mit Stress umgehen. Eine gelassene innere Haltung entwickelt sich aus:
Akzeptanz: Die Bereitschaft, Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können
Vertrauen: Der Glaube an die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern
Lösungsorientierung: Der Fokus auf Handlungsmöglichkeiten statt auf Probleme
Präsenz: Die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment zu bleiben
Humor: Die Kunst, auch in schwierigen Situationen die Leichtigkeit zu bewahren
Ein Beispiel aus meiner Coaching-Praxis: Ein Manager unter enormem Leistungsdruck entwickelte die innere Haltung "Ich kann nur mein Bestes geben – und mein Bestes ist gut genug". Diese einfache Überzeugung half ihm, gelassener mit Anforderungen umzugehen und paradoxerweise sogar bessere Ergebnisse zu erzielen.
Welche täglichen Routinen fördern Gelassenheit?
Meditation und Achtsamkeitsübungen im Alltag
Meditation und Achtsamkeit sind kraftvolle Werkzeuge, um Gelassenheit systematisch zu trainieren. Sie stärken nachweislich die Hirnregionen, die für Emotionsregulation und Stressbewältigung zuständig sind.
Praktische Ansätze für den Berufsalltag:
Morning Minutes: Beginne den Tag mit 5-10 Minuten Stille. Eine kurze Meditation am Morgen setzt den Ton für den gesamten Tag.
Mikro-Meditationen: Integriere 2-3 Minuten Achtsamkeit vor wichtigen Meetings oder zwischen anspruchsvollen Aufgaben.
Achtsames Arbeiten: Wähle eine tägliche Aufgabe (z.B. E-Mails beantworten) und führe sie vollkommen präsent aus, ohne Multitasking.
Eine Führungskraft, mit der ich arbeite, richtet täglich dreimal einen 3-Minuten-Timer ein für kurze Achtsamkeitsübungen. Nach drei Monaten berichtete sie von einer deutlich verbesserten Gelassenheit in Stresssituationen und besseren Entscheidungen.
Die Bedeutung von regelmäßiger Bewegung und Entspannung
Körper und Geist sind untrennbar verbunden. Regelmäßige Bewegung baut nicht nur Stress ab, sondern stärkt auch unsere mentale Widerstandskraft:
Moderate Bewegung: Schon 20-30 Minuten tägliche Bewegung reichen, um die Ausschüttung von Stresshormonen zu regulieren und Glückshormone freizusetzen.
Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga helfen, körperliche Verspannungen zu lösen.
Naturaufenthalte: Selbst ein kurzer Spaziergang in der Mittagspause kann Wunder wirken für die Gelassenheit.
Als Sportler lernte ich: Leistung entsteht im Wechselspiel von Anspannung und Entspannung. Dieses Prinzip gilt auch im Berufsleben. Wer ständig unter Strom steht, brennt aus – und verliert die Fähigkeit zur Gelassenheit.
Wie man eine gelassene Morgenroutine etabliert
Der Start in den Tag prägt maßgeblich, wie gelassen wir mit den Herausforderungen umgehen werden. Eine bewusste Morgenroutine ist wie ein Anker für den Tag:
Früher aufstehen: Schaffe dir 30 Minuten Pufferzeit vor dem eigentlichen Tagesbeginn.
Digitale Abstinenz: Vermeide in der ersten Stunde nach dem Aufwachen E-Mails und soziale Medien.
Bewusste Intention: Setze dir eine positive Absicht für den Tag, z.B. "Heute begegne ich Herausforderungen mit Gelassenheit."
Körperliche Aktivierung: Kurze Dehnübungen oder ein paar Sonnengrüße aktivieren Körper und Geist.
Meine Morgenroutine als aktiver Sportler umfasste stets Elemente der Stille, körperlicher Aktivierung und mentaler Vorbereitung. Diese Routine half mir, auch an Wettkampftagen innere Ruhe zu bewahren.

Wie gehe ich mit Perfektionismus und Kontrollverlust um?
Loslassen lernen: Strategien gegen übertriebenen Perfektionismus
Perfektionismus ist einer der größten Feinde der Gelassenheit. Die ständige Angst, nicht gut genug zu sein, erzeugt chronischen Stress und verhindert innere Ruhe. So kannst du loslassen lernen:
Das "Gute genug"-Prinzip: Definiere bewusst, wann eine Leistung "gut genug" ist – nicht alles muss perfekt sein.
Die 80/20-Regel anwenden: Erkenne, dass oft 80% des Ergebnisses mit 20% des Aufwands erreicht werden können.
Fehler als Lerngelegenheiten umdeuten: Perfektionisten fürchten Fehler – dabei sind sie wertvolle Lernchancen.
Ein Topmanager, mit dem ich arbeite, war bekannt für seinen Perfektionismus, der ihn und sein Team belastete. Wir entwickelten eine einfache Frage, die er sich bei jeder Aufgabe stellt: "Welcher Qualitätsstandard ist hier angemessen?" Diese bewusste Differenzierung half ihm, gelassener zu werden und gleichzeitig bessere Ergebnisse zu erzielen.
Umgang mit Unsicherheit und unvorhersehbaren Situationen
Kontrollverlust und Unsicherheit gehören zu den größten Stressfaktoren im Berufsleben. Die Fähigkeit, mit Ungewissheit umzugehen, ist daher zentral für Gelassenheit:
Das Unvorhersehbare als normal akzeptieren: Erkenne an, dass Kontrolle oft eine Illusion ist.
Fokus auf den Einflussbereich: Konzentriere dich auf die Dinge, die du tatsächlich beeinflussen kannst.
Szenarien-Denken: Bereite dich mental auf verschiedene mögliche Szenarien vor, statt nur einen "perfekten Plan" zu haben.
Das "Und wenn schon"-Prinzip: Frage dich bei Unsicherheiten: "Was wäre das Schlimmste, das passieren könnte? Und wie würde ich damit umgehen?"
Im Rudersport lernte ich, dass Wetterbedingungen, Gegner und viele andere Faktoren außerhalb meiner Kontrolle liegen. Gelassenheit entwickelte ich, indem ich mich auf meine Vorbereitung und meine Reaktionsfähigkeit konzentrierte – eine Lektion, die auch im Berufsleben gold wert ist.
Welche Rolle spielt die Atmung bei der Gelassenheit?
Einfache Atemübungen für mehr innere Ruhe
Die Atmung ist unser unmittelbarstes Werkzeug zur Regulation des Nervensystems und damit ein Schlüssel zur Gelassenheit. Diese Atemübungen kannst du direkt am Arbeitsplatz anwenden:
4-4-4-4-Atmung: Vier Sekunden einatmen, vier halten, vier ausatmen, vier pausieren. Diese Technik schafft sofort mehr innere Ruhe.
Verlängerte Ausatmung: Atme ein und zähle bis 4, atme aus und zähle bis 6 oder 8. Die verlängerte Ausatmung aktiviert den Parasympathikus.
Drei tiefe Atemzüge: Manchmal hilft es schon, vor einer stressigen Situation drei bewusst tiefe Atemzüge zu nehmen.
Eine Führungskraft, die häufig unter Druck Präsentationen halten musste, integrierte eine einfache Atemübung in ihre Vorbereitung: Drei Minuten bewusstes Atmen vor jedem wichtigen Auftritt. Diese einfache Praxis verbesserte nicht nur ihre Gelassenheit, sondern auch die Qualität ihrer Präsentationen erheblich.

Wie bewusste Atmung Stress reduziert
Die wissenschaftlichen Zusammenhänge zwischen Atmung und Stressreduktion sind beeindruckend:
Physiologische Wirkung: Langsame, tiefe Atmung senkt Blutdruck, Herzfrequenz und die Konzentration von Stresshormonen wie Cortisol.
Neurobiologische Effekte: Bewusstes Atmen aktiviert den Vagusnerv, der das parasympathische Nervensystem stimuliert – unseren körpereigenen "Entspannungsschalter".
Psychologische Dimension: Die Fokussierung auf den Atem verankert uns im gegenwärtigen Moment und unterbricht das Gedankenkarussell.
Eine interessante Erkenntnis aus meiner Arbeit mit Führungskräften: Viele atmen in Stresssituationen flach und schnell oder halten sogar den Atem an. Allein das Bewusstsein für diese Muster und eine bewusste Umstellung der Atmung kann den Unterschied zwischen Überforderung und Gelassenheit ausmachen.
Fazit: Der Weg zur Gelassenheit im Berufsleben
Gelassenheit lernen bedeutet, eine der wertvollsten Fähigkeiten für beruflichen Erfolg und persönliches Wohlbefinden zu entwickeln. Mit den vorgestellten sieben Strategien – von Atemtechniken und mentalen Strategien über tägliche Routinen bis hin zum Umgang mit Perfektionismus und gezielter Atmung – hast du einen praxisnahen Leitfaden an der Hand.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Gelassenheit ist erlernbar und trainierbar wie eine Fertigkeit
Sie entsteht aus dem Zusammenspiel von mentalen Techniken, körperlicher Praxis und innerer Haltung
Der Schlüssel liegt in kleinen, täglichen Gewohnheiten
Jeder kann Gelassenheit entwickeln – unabhängig von Persönlichkeit oder bisherigen Erfahrungen
Meine Erfahrung als Hochleistungssportler und heute als Coach zeigt: Wer Gelassenheit entwickelt, gewinnt nicht nur mehr innere Ruhe, sondern auch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. In einer Welt, die immer schneller, komplexer und unberechenbarer wird, ist die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, vielleicht die wichtigste Kompetenz überhaupt.
Beginne heute mit einem ersten, kleinen Schritt – vielleicht einer bewussten Atempause oder einer Minute Meditation. Mit jedem Tag, an dem du übst, wächst deine Fähigkeit, gelassen zu bleiben, wenn andere die Contenance verlieren. Und genau das kann den Unterschied ausmachen zwischen Mittelmaß und Exzellenz, zwischen Stress und Erfolg im Job.
Max Planer ist ehemaliger Ruderweltmeister und arbeitet heute als High Performance Coach mit Führungskräften und Teams. In seinen Coachings verbindet er Erkenntnisse aus dem Spitzensport mit modernen Entspannungstechniken und unterstützt Menschen dabei, auch unter Druck gelassen und leistungsfähig zu bleiben.